Das Wort
Vater findet sich in seinem Mund ebenfalls nicht. Statt dessen redet er
vom Knechtsein. Sieht er im Vater nur den Herrscher, in der Kindschaft eine Form
der Knechtschaft? Voll Zorn regiert er nicht nur auf den jngeren Bruder,
sondern auch auf den Vater. Ist nicht auch er in gewissem Sinn tot und muss
wieder zum Leben, zur Liebe finden? Von Dankbarkeit
fr das Leben im Haus des Vaters keine Spur, vielmehr Enge, Selbstgerechtigkeit,
heimlicher Neid auf die Freiheit des anderen. Nach auen korrekte Fassade, aber
dahinter: Eifersucht, Aggressivitt, Groll, Bitterkeit, groe Unzufriedenheit. Liebe Schwestern und Brder! Dass der
verlorene und weggelaufene Sohn zurckfand zu seinem Vater erzhlt Jesus als
Gewissheit. Ob aber dieser richtige ltere Sohn der Einladung des Vaters
folgt, ins Vaterhaus zurckkehrt und teilnimmt am Fest der Freude, das erzhlt
die Geschichte nicht. - Der verlorene Sohn darf beglckend erfahren, dass
er fr den Vater trotz allem Kummer, den er ihm gemacht hat und trotz aller
Irrungen und Verwirrungen seines Lebens, noch Sohn ist, dass er angenommen ist.
Der Verlorene Sohn | Sermon-Online — Predigten, Gottesdienste, Bibelarbeiten, Lieder
Und das ging nicht, so meinten jedenfalls andere. Das war natrlich ein Problem fr ihn, und weil er das nicht einsah, auch fr die anderen. Der verlorene Sohn handelte nun - er hatte das frher schon einmal - nicht gerade klug, fernab vom Vater. Diesmal verlor er alles, sogar die Hoffnung, wie sich noch zeigen wird; mit einiger Wahrscheinlichkeit htte er auch den bevorstehenden Prozess verloren. Aber davor und noch kurz vor dem Ende seiner Krfte ging er in sich zwischen den Trmmern seiner Plne. Ich stelle mir vor: Der verlorene Sohn htte von jenem anderen verlorenen Sohn gewusst und htte Hoffnung geschpft aus dem grenzenlos liebenden Vater und den Mut gehabt, sich auf den Weg zu machen. Er hatte aber die Hoffnung in den langen Weg nach Hause verloren, den Weg in die Arme des sich nach ihm sehnenden Vaters. Der verlorene Sohn nahm einen krzeren Weg. Er nahm sich - glcklicherweise? - das Leben; und er segnete das Zeitliche am 30. April 1945 im Fhrerbunker der Reichskanzlei. Die erste Geschichte mag nicht gerecht sein.
Der Verlorene Sohn - Christusgemeinde Nagold
Stud. theol. Christoph Dubs
im Predigtseminar an der Evangelisch-theologischen Fakultt der Christian Albrechts Universitt, Kiel
Das Gleichnis in Lk 15. 11-32 steht meist unter dem Titel: Das Gleichnis vom verlorenen Sohn. Und damit fangen die Schwierigkeiten einer Auslegung dieser Textstelle an. Der Titel lenkt nicht nur von einer anderen Sichtweise ab, sondern ist zur Voraussetzung (Prmisse) geworden; die Wirkungsgeschichte zeigt dies in rhrenden Nacherzhlungen und liebevollen Gemlden. Die berwltigende Liebe des Vaters brachte sogar den lteren Sohn zum Schweigen; in der wissenschaftlichen Auslegungstradition freilich hat er noch seinen Platz - der Voraussetzung (Prmisse) folgend einen nicht sehr grossen. Hauptaussage des Gleichnisses (soweit sich ein Gleichnis darauf verkrzen lsst) ist: Die Liebe des Vaters ist uneingeschrnkt, verlangt nichts, ist aus menschlicher Sicht ungerecht, aber berzeugend. Anstelle des lteren Bruders soll der (schon lngst berzeugte? ) Hrer und Leser mit einfallen in den Chor: man musste ja feiern und sich freuen.
Der Verlorene Sohn
Und so knnen wir alle von unseren Begabungen und Fhigkeiten leben - ohne Gott. Wir lernen einen Beruf. Wir verdienen Geld. Wir knnen tun und lassen was wir wollen. Und zunchst sieht es ganz so aus, dass es sich ohne Gott sogar sehr gut leben lsst. Die Geschichte aber - das Leben - geht weiter. Der Sohn geniesst seine Freiheit in vollen Zgen. Er vergisst den Vater, er vergisst Gott. Es geht ja auch zu gut ohne ihn eine Zeit lang. Doch dann geht dieses Experiment Freiheit wie ich sie meine schief. Der Sohn nutzt die Freiheit und die Lebensausrstung, mit der Gott ihn ausstattete, nicht richtig. Er missbraucht sie. Sinnlos verprasst er sein Erbteil, verschleudert seine Gaben. Und seine Freiheit - worin besteht sie? In einem vordergrndigen, oberflchlichen Leben: Feiern, Partys, Konzerte, Alkohol, Action und immer wieder Abwechslung sind die Inhalte seiner freien Lebensweise. Leben nach dem Lustprinzip, Leben nach dem Massstab der Bequemlichkeit, Leben, das vor allem Spass machen muss - das allein zhlt fr ihn.
Denn dieser mein Sohn war tot und ist wieder lebendig geworden; er war verloren und ist gefunden worden. Und sie fingen an, fröhlich zu sein. (Lk 15, 20-24) Der Vater ließ ihn einst ohne Widerworte ziehen – doch nun legt er Widerspruch ein. Der Sohn hat kaum ausgesprochen: Ich bin hinfort nicht mehr wert, dass ich dein Sohn heiße – da sorgt der Vater bereits dafür, das das beste Gewand gebracht wird und er einen Ring an den Finger bekommt – er nimmt ihn voller Freude wieder voll und ganz in die Familie auf. Das ist für mich das Faszinierende an der Geschichte. Keine Fragen: Wo warst du? Warum kommst du erst jetzt? Schämst du dich nicht? Sondern pure Freude des Vaters über die Rückkehr seines Sohnes! Und das ist für mich auch das Faszinierende an Gott, wie Lukas ihn hier zeichnet. In dieser Erzählung ist klar, dass mit dem Vater Gott gemeint ist. Ein Bruder aus Taizé sagte einmal in einer Bibeleinführung: "Weil der Vater den SOhn schon von weitem sieht, habe ich immer den Eindruck, dass der Vater Tag für Tag vor dem Haus sitzt und nach seinem Sohn Ausschau hält, voller Hoffnung darauf, dass der Sohn einmal zurückkommt, und ja nicht den Moment verpassen will, wenn er zurückkommt".