Es schienen so golden die Sterne... Es schienen so golden die Sterne, Am Fenster ich einsam stand Und hörte aus weiter Ferne Ein Posthorn im stillen Land. Das Herz mir im Leib entbrennte, Da hab ich mir heimlich gedacht: Ach, wer da mitreisen könnte In der prächtigen Sommernacht! Zwei junge Gesellen gingen Vorüber am Bergeshang, Ich hörte im Wandern sie singen Die stille Gegend entlang: Von schwindelnden Felsenschlüften, Wo die Wälder rauschen so sacht, Von Quellen, die von den Klüften Sich stürzen in die Waldesnacht. Sie sangen von Marmorbildern, Von Gärten, die überm Gestein In dämmernden Lauben verwildern, Palästen im Mondenschein, Wo die Mädchen am Fenster lauschen, Wann der Lauten Klang erwacht Und die Brunnen verschlafen rauschen In der prächtigen Sommernacht. -
(* 10. 03. 1788, † 26. 11. 1857)
Bewertung: 5 /5 bei 2 Stimmen
Kommentare
Es Schienen So Golden Die Sterne Metrum
Es schienen so golden die Sterne,
Am Fenster ich einsam stand
Und hörte aus weiter Ferne
Ein Posthorn im stillen Land. Das Herz mir im Leib entbrennte,
Da hab ich mir heimlich gedacht:
Ach, wer da mitreisen könnte
In der prächtigen Sommernacht! Zwei junge Gesellen gingen
Vorüber am Bergeshang,
Ich hörte im Wandern sie singen
Die stille Gegend entlang:
Von schwindelnden Felsenschlüften,
Wo die Wälder rauschen so sacht,
Von Quellen, die von den Klüften
Sich stürzen in die Waldesnacht. Sie sangen von Marmorbildern,
Von Gärten, die überm Gestein
In dämmernden Lauben verwildern,
Palästen im Mondenschein,
Wo die Mädchen am Fenster lauschen,
Wann der Lauten Klang erwacht
Und die Brunnen verschlafen rauschen
In der prächtigen Sommernacht. –
[6]
Frühwald zieht eine Parallele zu Goethes Kennst du das Land, wo die Zitronen blühn. Zudem erinnere das Lob auf die Kunstheimat Italien an die Herzensergießungen. Fiametta, die Sängerin des oben zitierten Textes, singe mit nachtigallfarbener Stimme das Lied der Poesie. Das Lied entstehe in einem erfüllten Augenblick aus der Schau von Erinnerung und Gegenwart. Dabei sei das Lied die Bewegung des Herzens selbst. Die ein solches Lied singe, sage alle Kunst Eichendorffs. Freund [7]: Der Traum von der metaphysischen Reise ins goldene Reich der Sterne sei ausgeträumt. Der poetische Mensch bleibe einsam am heimatlichen Fenster stehen, "unfähig, seine Enge zu verlassen". Literatur
Helmut Motekat: Reife und Nachklang romantischer Weltfülle. Betrachtungen zu Joseph von Eichendorffs Gedicht 'Sehnsucht'. S. 97–103 in: Blätter für Deutschlehrer 4(1956/57)
Oskar Seidlin: Joseph von Eichendorff. Sehnsucht. 102–108 in: Karl Hotz (Hrsg. ): Gedichte aus sieben Jahrhunderten. Interpretationen. 311 Seiten.