Das Lied vom Hasse 1841
Wohlauf, wohlauf, über Berg und Fluß Dem Morgenrot entgegen, Dem treuen Weib den letzten Kuß, Und dann zum treuen Degen! Bis unsre Hand in Asche stiebt, Soll sie vom Schwert nicht lassen, Wir haben lang genug geliebt Und wollen endlich hassen! Die Liebe kann uns helfen nicht, Die Liebe nicht erretten; Halt du, o Haß, dein Jüngst Gericht, Brich du, o Haß, die Ketten! G. Herwegh: Das Lied vom Hasse – Text und Analyse | norberto42. Und wo es noch Tyrannen gibt, Die laßt uns keck erfassen; Wir haben lang genug geliebt Und wollen endlich hassen! Wer noch ein Herz besitzt, dem soll's Im Hasse nur sich rühren; Allüberall ist dürres Holz, Um unsre Glut zu schüren. Die ihr der Freiheit noch verbliebt, Singt durch die deutschen Straßen: "Ihr habet lang genug geliebt, O lernet endlich hassen! " Bekämpfet sie ohn Unterlaß, Die Tyrannei auf Erden, Und heiliger wird unser Haß Als unsre Liebe werden. Bis unsre Hand in Asche stiebt, Soll sie vom Schwert nicht lassen; Wir haben lang genug geliebt Und wollen endlich hassen!
Das Lied Vom Hasse Der
G eorg Herwegh: Das Lied vom Hasse (1841)
Wohlauf, wohlauf, über Berg und Fluss
Dem Morgenrot entgegen,
Dem treuen Weib den letzten Kuss,
Und dann zum treuen Degen! Bis unsre Hand in Asche stiebt,
Soll sie vom Schwert nicht lassen;
Wir haben lang genug geliebt
Und wollen endlich hassen! Die Liebe kann uns helfen nicht,
Die Liebe nicht erretten;
Halt du, o Hass, dein Jüngst Gericht,
Brich du, o Hass, die Ketten! Und wo es noch Tyrannen gibt,
Die lasst uns keck erfassen;
Wer noch ein Herz besitzt, dem soll's
Im Hasse nur sich rühren;
Allüberall ist dürres Holz,
Um unsre Glut zu schüren. Das Lied vom Hasse. Die ihr der Freiheit noch verbliebt,
Singt durch die deutschen Straßen:
»Ihr habet lang genug geliebt,
O lernet endlich hassen! «
Bekämpfet sie ohn' Unterla ss,
Die Tyrannei auf Erden,
Und heiliger wird unser Ha ss
Als unsre Liebe werden. Das ist ein erstaunliches Gedicht aus der Sammlung "Gedichte eines Lebendigen" (1841): Es ist ein Aufruf zum Hassen, direkt entgegen der seit Jahrhunderten in den Kirchen gepredigten Aufforderung zur Liebe, selbst zur Feindesliebe – es erinnert mich an d en antichristlichen "Aufruf": " Reißt die Kreuze aus der Erden! "
Das Lied Vom Hasse English
Der Aufruf richtet sich anscheinend an solche Menschen (hier situationsbedingt: Männer), die noch nicht zur Wir-Gemeinschaft gehören: "Wer noch ein Herz besitzt…" (V. 17) – an die Herzlosen braucht der Sprecher ohnehin keinen Gedanken zu verschwenden. Welche Funktion das folgende Bild vom dürren Holz und der Glut des Hasses (V. 19 f. ) hat, ist nicht leicht auszumachen; am ehesten zeigt es, wie naheliegend und einfach es sei zu hassen; damit dient es als eine einfache metaphorische Begründung für den vorhergehenden Aufru f zum Hassen (V. 17 f. Im zweiten Teil werden die wenigen Freiheitsfreunde im Land aufgefordert (Imperativ "singt", V. Das lied vom hasse english. 22), die versklavten Deutschen zum Hassen und damit zum Freiheitskampf aufzurufen (Imperativ "lernet" mit dem Modalwort "endlich", V. 24 es greift den Kontrast "lang genug – endlich" aus V. a uf). Als Aufruf an Außenstehende wird der mehrfach wiederholte Schluss einer Strophe hier variiert, durch die Anrede "Ihr" an die Fremden und den Imperativ an Stelle der Formel "Wir wollen…" (V. 23 f. Der Reim V. 18/20 verbindet das Hassen mit der zugehörigen Glut; der Reim V. 22/24 ist weniger zwingend, er verbindet die deutschen Straßen mit dem Ruf, der in ihnen erschallen soll.
Das Lied Vom Hassen
Um den Reim V. 26/28 zu würdigen, muss man die beiden ganzen Doppelverse heranziehen: Im Kampf gegen die Tyrannei wird der Hass der Kämpfer durch das Endziel der Freiheit geheiligt.
" Wer hasst, fokussiert sich. Hass kann Energie freisetzen und Identität stiften. Doch dieses Gefühl erschafft nie etwas, ohne gleichzeitig zu zerstören. " (ZEIT 4/2018) Dieses Zitat aus der ZEIT zeigt, worauf der Sprecher mit seinem Aufruf zum Hass hinaus will: die Kämpfer einen, die Tyrannen zerstören. Heute wird allüberall zum Kampf gegen Hass (im Internet etc. ) aufgerufen; man muss lange suchen, bis man eine vernünftige Erklärung des Hasses findet: " Hass ist eine menschliche Emotion scharfer und anhaltender Antipathie und entsteht, wenn tiefe und lang andauernde Verletzungen nicht abgewehrt und/oder bestraft werden können. Hass ist in den meisten Fällen somit eine Kombination aus Vernunft und Gefühl, wobei die Vernunft das Ende der Verletzung und eine Bestrafung des Quälers fordert. Das lied vom hassen. " [ Stangl, W. (2020).
Zur Orientierung der Aufbrechenden soll das Morgenrot dienen (V. 2), das in der Nacht-Tag-Metaphorik de n Beginn eines neuen Tages bezeichnet und s o für die Hoffnung der Aufbrechenden steht. Der zweite Aufruf gilt den Waffen, die nach dem Abschiedskuss zu ergreifen sind (V. 3 f. ) – der letzte Kuss ist wörtlich gemeint, wie sich aus V. 5 f. e rgibt. Durch das Attribut "treu" ist die eigene Frau mit dem Degen verbunden, was den Abschied von ihr erleichtern könnte. Das lied vom hasse der. Es folgt ein weiterer Aufruf, der dem Kampf bis zum E ndsieg gilt (V. ); " stieben" ist hier nicht leicht zu verstehen, wohl aktivisch zu lesen: Staub aufwirbeln in der Asche der Häuser oder Städte, die man hat in Flammen aufgehen lassen – so lange soll gekämpft werden (V. 6). Es folgt eine radikale Begründung des militanten Aufrufs (V. 7 f. ), die mit dem Kontrast "lieben – hassen" spielt und nur aus der Verzweiflung des Sprechers verstanden werden kann: Die Unterdrückung durch den (nicht genannten) Feind ist so groß und grausam, dass jede Verständigung mit ihm, jeder Ausgleich unmöglich erscheint und der Hass sich im Kampf Bahn brechen muss.